Rundschreiben
August 2023
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitglieder,
heute habe ich die traurige Pflicht, Ihnen mitzuteilen, dass unsere ehemalige Vorsitzende, Frau Dr. phil. Dr. h.c. Barbara Deppert-Lippitz, am 18. Juli 2023 in Frankfurt am Main im Alter von 83 Jahren nach langer Krankheit verstorben ist. Mit ihrem erfolgreichen Einsatz bei den Freunden Frankfurts, den vielen von ihr geplanten und durchgeführten Veranstaltungen hat sie sich nicht nur um den Verein, sondern auch um die Kultur der Stadt Frankfurt in einer außergewöhnlichen Weise verdient gemacht. Insbesondere der Erhalt bekannter Denkmäler unserer Stadt wie des Uhrtürmchens, des Justitia-Brunnens oder des „Atzmanns aus Sankt Leonhard“ wird mit ihrem Namen verbunden bleiben. Nicht allen ist bekannt, dass Frau Dr. Deppert-Lippitz auch eine international anerkannte Klassische Archäologin war, die für ihren selbstlosen Kampf gegen Raubgräberei und den internationalen Schwarzhandel mit Antiken hohe Auszeichnungen erhalten hat. Wir verlieren mir ihr eine treue Freundin, eine engagierte Frankfurterin und eine charismatische Persönlichkeit, deren klugen Rat und liebenswürdigen Humor wir vermissen werden. Unser aufrichtiges Beileid gilt ihrer Familie.
Informieren möchten wir Sie auch darüber, dass unser Vereinsgründer Dr. Fried Lübbecke am 3. Juli 2023 vor 140 Jahren geboren wurde. Der Vorstand hat diesen Geburtstag zum Anlass genommen, auf dem Bad Homburger Waldfriedhof ein Gesteck niederzulegen.
Wie versprochen beschäftigen wir uns trotz der traurigen Nachricht auch in diesem Rundschreiben mit einem historischen Thema. Dieses Mal ist es wieder eine Landstraße, nämlich die Friedberger Landstraße.
Unsere Reihe Landstraßen: Friedberger Landstraße
Mit ihrer Länge von knapp 6 Kilometern spielt sie im Mittelfeld der Frankfurter Landstraßen. Sie trägt den Namen ihres Ziels, der freien Stadt Friedberg, die, bevor es Kraftfahrzeuge gab, eine Tagesreise von Frankfurt entfernt war. Die Friedberger Landstraße war Teil einer alten Handelsstraße zwischen Nord- und Süddeutschland. Sie begann am Friedberger Tor in den Wallanlagen. Historische Quellen erwähnen das Tor bereits 1346. 1380 erhielt das Tor einen rechteckigen Turm.
Friedberger Tor als Teil der Befestigunganlage
Wie Sie auf dem Bild erkennen können, waren die Brücke über den Festungsgraben und das Tor aus Verteidigungsgründen nicht in einer direkten Linie errichtet worden. Die Erbauer des Friedberger Tors versprachen sich damit einen größeren Schutz vor Angreifern. Lange blieb das Tor an dieser Stelle unverändert bestehen. Erst 1552, während des Fürstenaufstandes, ließ Conrad von Hanstein in kürzester Zeit die provisorische Bastion aufschütten und die Frankfurter Stadtbefestigung auf den zeitgemäßen Stand bringen. Es gelang ihm, dem protestantischen Offizier, im Auftrag des katholischen Kaisers die protestantische freie Reichsstadt Frankfurt gegen Truppen aus Sachsen und Hessen zu verteidigen. Um die eigene Artillerie im Kampf besser einsetzen zu können, wurde der gotische Turmhelm des Friedberger Tors entfernt.
Mehr als 60 Jahre dauerte es, sicherlich auch aus Kostengründen, bis sich der Rat und die Frankfurter Bürger dazu entschlossen, ihre Stadtbefestigung zu erneuern. Während des Dreißigjährigen Krieges begann man mit den Arbeiten am Friedberger Tor. Dieses Tor galt als nicht mehr sicher genug. Johann Adolf von Holzhausen wurde beauftragt, dort ein Bauwerk zum Schutz der Brücke über den Festungsgraben zu errichten. Konstruktionsbedingt und wegen schlechter Ausführung der Arbeiten durch die beauftragten Arbeiter brach das Bauwerk im Folgejahr zusammen. Der nächste Festungsbaumeister war Johann Wilhelm Dilich; auch ihm misslang zuerst der Auftrag, eine bessere Stadtbefestigung zu errichten. Von ihm stammte jedoch der Entwurf des „Neuen Friedberger Tors“ im Stil des frühen Barock.
Unterstützung beim Bau der Befestigungsanlagen erhielt Dilich 1631 von dem Festungsbaumeister Johannes Faulhaber. Das Werk gelang und Frankfurt blieb im Dreißigjährigen Krieg weitgehend unzerstört. Am 23. Oktober 1792 standen französische Truppen aus Mainz vor den Frankfurter Toren. Sie marschierten mit 3000 Mann durch das Affentor in die Stadt ein und besetzten sie. Sieben Frankfurter Bürger wurden als Geiseln genommen. Infolge der Besetzung, der Geiselnahme und der verlangten 2 Millionen Gulden kam es am 2. Dezember 1792 zu einer kriegerischen Auseinandersetzung am Friedberger Tor. Preußische und hessische Soldaten, die aus Frankreich zurückkehrten, stürmten das Friedberger Tor, um die Besatzer aus der Stadt zu treiben. Nach heftigen Gefechten in deren Folge 55 Soldaten starben gelang es mit Hilfe der Frankfurter Handwerksburschen, das Tor zu überwinden, in die Stadt zu gelangen und die französischen Besatzer zu vertreiben.
Hessendenkmal an der Friedberger Landstraße, Foto: © Georg Schmidt, 2016
Zur Erinnerung an die in diesem Gefecht gefallenen Soldaten stiftete der preußische König Friedrich Wilhelm II im folgenden Jahr das Hessendenkmal. Heute steht es auf der stadteinwärts führenden Seite der Friedberger Landstraße an der Mercatorstraße. Besonders erwähnenswert ist, dass auf diesem Denkmal erstmals die Namen aller bei diesem Gefecht gefallenen 55 Soldaten ohne Berücksichtigung ihres Ranges stehen. Die Inschrift auf der Westseite lautet: „Den Kampfgefährten aus den hessischen Regimentern, die bei der Wiedereroberung der Mainfurt am 2. Dezember einen ehrenvollen Tod fanden, ließ Friedrich Wilhelm II., König von Preußen, als bewundernder Zeuge ihrer Tapferkeit und Standhaftigkeit [dieses Denkmal] errichten“. Lange Zeit galt das Hessendenkmal als „das bezauberndste Frankfurter Denkmal“ (Hans Reimann, „Was nicht im Baedeker steht“, Pieperverlag München 1931).
Vor dem Friedberger Tor befand sich ein ebenfalls erwähnenswertes Bauwerk: 1783 erwarb Johann Philipp Bethmann ein von ihm seit 1773 gepachtetes kleines Gartenhaus. Er ließ das Gartenhaus zu einer großzügigen Villa umbauen und bewohnte das Gebäude im Sommer. Am 31. Oktober 1813 machte Napoleon Bonaparte auf seinem Rückzug aus der verlorenen Völkerschlacht bei Leipzig in Frankfurt Station. Bernard Aubin, ein Offizier der Frankfurter Bürgerwehr, ritt Napoleon entgegen und geleitete ihn über die Hanauer Landstraße und die Pfingstweide zu seinem Nachtquartier im Bethmann’schen Landhaus. Gegen 3 Uhr am Nachmittag begrüßt ihn der Hausherr Simon Moritz von Bethmann. Am nächsten Tag mittags um 1 Uhr brach Napoleon wieder auf. Zu seinem Gastgeber soll er bei seinem Abschied gesagt haben: „Adieu Monsieur Bethmann, halten sie sich gut und fürchten Sie die Wiederkehrenden“.
Bethmannsches Landhaus, Stich von 1847
Ein weiteres Mal war das Bethmann´sche Landhaus ein Ort der Geschichte. 1848 kam es in Frankfurt in Zusammenhang mit dem „Vertrag von Malmö“ zu Unruhen in der Stadt. Felix von Lichnowsky, Mitglied der Nationalversammlung, Spitzname Schnatteratowsky, ritt an diesem Tag mit Major Hans von Auerswald, der ebenfalls Mitglied der Nationalversammlung war, aus dem Friedberger Tor hinaus. Ein Mob wütender Bürger erkannte den unbeliebten Lichnowsky und begann ihn und von Auerswald mit Steinen zu bewerfen. Es folgte eine wilde Verfolgungsjagd, die im Hause eines Gärtners in der heutigen Merianstraße endete. Von Auerswald wurde dabei getötet und Lichnowsky wurde verletzt. Den getöteten von Auerswald bahrt man am Hessendenkmal auf, den Verletzten Lichnowsky brachte man ins Landhaus der Bethmanns und später am Abend ins Hospital zum Heiligen Geist, wo er seinen Verletzungen erlag. Nun wurde es ruhig um das Landhaus, es bestand in seiner Form bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Durch ein Feuer brannte das Haupthaus aus. Heute steht nur noch der wieder aufgebaute Ostflügel. In unmittelbarer Nähe befinden sich heute der Bethmann Park und der Chinesische Garten.
Fährt man die Friedberger Landstraße weiter nach Norden, so erreicht man jenseits des Alleenrings auf der Höhe des Hauptfriedhofs auf der stadtauswärts rechten Seite den Wasserpark. Hier befindet sich der Hochbehälter für die 1873 eröffnete älteste Frankfurter Fernwasserleitung. 66 km wird das Wasser aus dem Vogelsberg in Wasserleitungen bis zu dem dort unter einem Hügel befindlichen verborgenen Speicher geführt. Die vier Kammern aus rotem Sandstein fassen 25.444 Kubikmeter Wasser und bedecken eine Fläche von 132 mal 67 Metern. Die Kammern haben eine Höhe von 4,10 Metern. Sehenswert sind die Pumpenhäuser und der Zentralbau aus rotem Sandstein im Stil der Neorenaissance.
Ein kleines Stückchen weiter in Richtung Bad Vilbel kommt man zu der - 1478 als letzte der Frankfurter Warten erbaute - Friedberger Warte. Die im Stil der Spätgotik errichtete Warte auf dem höchsten Punkt Bornheims, dem Eulenberg, bedeckt eine Fläche von 616 Quadratmetern mit Wehr- und Wachturm, Wachhaus, Küche und Brunnenstube. Als die Frankfurter Truppen 1546 im schmalkaldischen Krieg die kaiserlichen Truppen abwehrten, kam es an der Warte zu kriegerischen Auseinandersetzungen. 1634 brannten kaiserliche Kroaten im Dreißigjährigen Krieg Turm und Wehrhof ab. 1637 wurde die Warte wieder aufgebaut und diente seitdem als Zollhaus, als Herberge für die Chauseegeld-Erheber und als Feuerwache. Seit 150 Jahren besteht in der Friedberger Warte ein Apfelweinlokal.
Wir sind am Ende dieses Rundschreibens angekommen. Mit dem Heiligenstock und dem alten Zollhaus werden wir uns in einem späteren Rundschreiben beschäftigen.
Beste Grüße
Andrea Janssen
Neue Anschrift und Telefonnummer:
Freunde Frankfurts, Anzengruberstraße 15, 60320 Frankfurt am Main
Tel. 0170-48 23 274.