Rückblick in das Jahr 1925

Wir gehen 100 Jahre zurück!

In Frankfurt begrüßen die Bürger das neue Jahr mit für die damalige Zeit riesigen Feuerwerken. Zu diesem Zeitpunkt leben rund 472.300 Menschen in der Stadt. Das neue Jahr beginnt nicht zu kalt, die Durchschnittstemperatur im Januar beträgt 2,3°, die Quellen sprechen von einem Hochwasser am Main.

Die Inflation der Jahre 1922 und 1923 ist vorbei und langsam normalisiert sich das Leben wieder. In Frankfurt entwickelt sich, beginnend mit dem Jahr 1925, eine Phase besonderer wirtschaftlicher und kultureller Blüte.

Aufbruchsstimmung und Feierlaune

Wie kaum eine andere Stadt steht Frankfurt in dieser Zeit für den zuversichtlichen Aufbruch. Die Bürger der Stadt feiern wieder, zum Beispiel an Silvester im Schumann Theater, wo der Jazzpianist Sam Wooding auftritt, aber auch an Fasching auf dem berühmten Maskenball „Timbuktu“ im Zoo-Gesellschaftshaus. Die Frankfurter Varietés haben großen Zulauf. Erwähnenswert sind der Vergnügungspalast „Groß Frankfurt“ gegenüber dem Eschenheimer Turm, Helmers Neues Theater oder der Kristallpalast in der großen Gallusstraße.

Will man nach einem gelungenen Abend nicht mit der Straßenbahn nach Hause fahren, sondern mit der Autodroschke, so kann das zum Problem werden. In Frankfurt herrscht ein Mangel an solchen: Während in Köln 400 Autodroschken Gäste kutschieren, sind in Frankfurt nur ganze 100 davon im Dienst. Das führt zu langen Wartezeiten, großem Ärger und einigen bösen Berichten in der Frankfurter Zeitung. Im Mai 1925 erteilt die Stadtverwaltung weitere 60 Konzessionen für Autodroschken, was das Problem zwar nicht löst, aber ein wenig verbessert. 

Städtische Siedlungspolitik

Frankfurt war aber auch eine Stadt mit größter Wohnungsnot. 1925 fehlten rund 18.000 Wohnungen. Ludwig Landmann, Bürgermeister seit 1924, war sich dieses Problems bewusst. 1916 kam er nach Frankfurt, wurde Dezernent für Wirtschaft, Verkehr und Wohnungswesen und bereits 1917 verfasste er eine Denkschrift zu den „Herausforderungen und Perspektiven einer Städtischen Siedlungspolitik“. Zu diesem Zeitpunkt findet er keine Unterstützer für seine Pläne, durch städtische und private Siedlungsgesellschaften sowie durch typisierten Wohnungsbau die Wohnungsnot zu bekämpfen. Als neuer Bürgermeister kann er dann auf seine Pläne von 1917 zurückgreifen.

Ludwig Landmann, Wikipedia
Ludwig Landmann, Wikipedia

Stadtbaurat Ernst May

Landmann beruft den gebürtigen Frankfurter Ernst May aus Breslau zurück in seine Heimatstadt. May wird Stadtbaurat. Ausgestattet mit weitreichenden Kompetenzen, bekommt er die Aufgabe, den fehlenden Wohnraum möglichst schnell zu errichten. Unterstützt wird May von vielen namhaften Kollegen wie Martin Elsässer, Walther Gropius, Margarete Schütte-Lihotzky. Aus Breslau kommen mit ihm Herbert Boehm und Carl-Hermann Rudloff.

Ernst May 1926, Fotografie Otto Schwerin Germanisches Nationalmuseum
Ernst May 1926, Fotografie Otto Schwerin Germanisches Nationalmuseum

Große Wohnungsbauprojekte

In den Jahren 1925 bis 1930 entstehen in einem der größten Wohnungsbauprojekte der Weimarer Republik insgesamt 15.000 Wohnungen in 9 Siedlungen: Siedlung Höhenblick, Raimundstraße, Bruchfeldstraße (bekannt als Zick-Zack-Hausen), Bornheimer Hang, Praunheim, die Heimatsiedlung, die Siedlungen Römerstadt und Westhausen sowie die Hellerhof-Siedlung. Bauherren sind, wie in seiner Denkschrift von 1917 bereits vorgeschlagen, neu gegründete Wohnungsbaugesellschaften, wie zum Beispiel die Aktienbaugesellschaft für kleine Wohnungen oder Mavest, die Wohnungsbaugesellschaft der Frankfurter Handwerker. Die Vermietung und der Verkauf erfolgten durch die Wohnungsbaugesellschaften.

Wie in Breslau so initiiert Erst May auch in Frankfurt die Herausgabe einer Zeitschrift: „Das neue Frankfurt“ (dnf) ist neben den Zeitschriften „Die Form“ und „Bauhaus“ die bedeutendste Zeitschrift zum Thema modernes Bauen. Berichtet wird in der Zeitschrift über den Bau der neuen Siedlungen, aber auch über neue Designentwicklungen, interessante Ausstellungen und Filme. „Das neue Frankfurt“ ist der Inbegriff für modernes Wohnen und Leben. In diesen Jahren entstehen auch einige Großbauten, viele davon geplant von Martin Elsässer, dem künstlerischen Leiter des Hochbauamts. Besonders zu erwähnen ist die Großmarkthalle (1928), das Palmengartengesellschaftshaus (1930), die heutige Pestalozzi-Schule (1927), die Holzhausenschule (1929), das Hallenschwimmbad Frankfurt Ost in Fechenheim (1928) und die Gustav-Adolf Kirche in Niederursel (1928). 

Eröffnung des Waldstadions

Zurück ins Jahr 1925: In diesem Jahr wird ein weiterer Großbau endlich fertig. Mit einem Festumzug und einem Volksfest eröffnet am 21. Mai 1925 das erste Waldstadion. Die Inflation und der Mangel an Bauarbeitern hatten die Bauzeit auf vier Jahre verlängert. Die Entwürfe für das Areal mit Schwimmbad, Radrennbahn und Festwiese fertigte Gartenbaudirektor Max Bromme, das Tribünengebäude entwarf Gustav Schaumann. Das Stadion bot 35.000 Besuchern Platz, die Gesamtkosten beliefen sich auf insgesamt 3,7 Millionen Mark, was heute einer Summe von 17 Millionen Euro entspricht.

Ohne viele Probeläufe, wie sie häufig heute bei großen Bauvorhaben stattfinden, findet im neuen Waldstadium am 7. Juni 1925 die erste Großveranstaltung, die Austragung des Endspiels der deutschen Fußballmeisterschaft, statt. 35.000 Zuschauer, darunter 600 Sportreporter, verfolgten das Spiel. Der Gegner des FSV Frankfurt heißt 1. FC Nürnberg. Leider verlieren die Frankfurter das Spiel und der 1. FC Nürnberg ist der deutsche Fußballmeister 1925. 

Die erste Arbeiterolympiade

Kurz danach findet schon das nächste Großereignis statt. Vom 24. bis 28. Juli 1925 ist das Waldstadion Austragungsort der ersten Arbeiterolympiade. Veranstalter ist die Luzerner Sportinternationale. 3.000 aktive Sportler aus elf Ländern – Deutschland, Österreich, Schweiz, Tschechoslowakei, Polen, Palästina, Lettland, Finnland, England Frankreich und Belgien – nahmen an den Spielen teil. Bei der Eröffnung verzichteten die Sportler beim Einmarsch in das Stadion jedoch auf Zeichen ihrer Herkunft. Die Spiele sollten ausschließlich der geistigen und körperlichen Erneuerung der Teilnehmer dienen und nicht dem Kampf zwischen den teilnehmenden Ländern. Wettkämpfe fanden in den Disziplinen Leichtathletik, Fußball, Schwimmen, Stafettenlauf, Diskus- und Speerwerfen, Radfahren, Handball, Basketball, Tennis und Rudern statt.

Für Besucher der Arbeiterolympiade wurden Massenfreiübungen angeboten, an denen mehrere zehntausend Besucher im Laufe der fünf Tage teilnahmen.

Fußballspiel Deutschland Finnland bei der Arbeiterolympiade 1925, Wikipedia
Fußballspiel Deutschland Finnland bei der Arbeiterolympiade 1925, Wikipedia

Rundfunk, Opern, Stürme und vieles mehr

Selbstverständlich fanden im Jahr 1925 noch viele andere Ereignisse statt. Zum Beispiel gab es am 28. Juni 1925 die erste Live Sportübertragung des Frankfurter Rundfunksenders. Der Sportreporter Dr. Paul Laven berichtete über eine Ruderregatta auf dem Main. Am 1. Juli 1925 eröffnete die Deutsche Aero Lloyd die Fluglinie Frankfurt-Hannover-Hamburg mit einer Flugdauer 3 Stunden 45 Minuten. Last but not least, vom 24. bis 26. Oktober fand die erste Kochkunstausstellung nach dem 1. Weltkrieg statt.

Am 2. Dezember 1925 schlossen sich die Chemieunternehmen Hoechst, Bayer, BASF und Griesheim Elektron zur Interessengemeinschaft IG Farben zusammen, dem ersten deutschen Großkonzern; damals konnte noch niemand ahnen mit welcher schrecklichen Geschichte. Das Jahr endete mit einer Neuinszenierung von Wagners „Siegfried“ im Frankfurter Opernhaus. Orkanartige Stürme wüteten am 30. und 31. Dezember 1925 in Frankfurt. Bäume stürzten auf Telegrafenmasten, es gab Störungen im Telefon und Fernsprechverkehr. Ein großes Feuerwerk fiel wetterbedingt aus.