Ballonfahrten in Frankfurt
Sensationelle Luftkünste, tragische Unfälle und erfolgreiche Frauen
Jean Pierre Blanchard
Kaum hatten sich die ersten Ballonfahrer mit ihren Ballons in Frankreich in die Luft gewagt, war auch schon in Frankfurt eine Begeisterung für diese neue Erfindung entstanden. Nur zwei Jahre nach dem erfolgreichen Aufstieg der Gebrüder Montgolfier in Annonay im Jahr 1783 kam bereits 1785 ein französischer Luftschiffer mit den Namen Jean Pierre Blanchard nach Deutschland. Frankfurt war seine erste Station.
Doch bevor er nach Frankfurt kam, überquerte er im Januar 1785 als erster Ballonfahrer zusammen mit dem Arzt John Jeffries den Ärmelkanal von Dover nach Calais. Anlässlich der Herbstmesse im September 1785 wollte Blanchard mit zwei Begleitern, einem Darmstädter Erbprinz und einem französischer Offizier, vor den Bewohnern der Stadt und vielen angereisten Gästen, man spricht von 100.000 Personen, die erste Luftreise Deutschlands beginnen. Als Startpunkt der Reise hatte der Rat der Stadt einen Platz am heutigen Westhafen, dem Grindbrunnen, genehmigt.
Der erste Versuch am 27. September 1785 misslang kurz vor dem Start, da ein Windstoß den Ballon beschädigte. Am 3. Oktober startete Blanchard seinen zweiten Versuch, dieses Mal ohne Begleiter und von der Bornheimer Heide, in der Nähe des heutigen Heideplatzes. Über Bockenheim warf er seinen Hund an einem von ihm konstruierten Fallschirm ab. Der Hund landete sicher und wurde seinem Herren zurückgegeben.
Eigentlich sollte damit die Luftreise schon beendet sein, Blanchard wollte landen, aber ein heftiger Wind trug den Ballonfahrer über Bad Homburg bis nach Weilburg an der Lahn, wo er nach einigen Versuchen sicher landen konnte.
Sophie Blanchard
1804 heiratete Blanchard Marie Sophie Armant. Sie wurde zur ersten professionellen Ballonfahrerin, und auch sie überquerte den Ärmelkanal mit ihrem Mann, dieses Mal aber von Calais nach Dover.
Nach dem Tod ihres Mannes 1809, er starb durch einen Schlaganfall während einer Ballonfahrt, waren die Ballons der einzige Besitz seiner Witwe. Sie machte das Beste daraus und bestritt ihren weiteren Lebensunterhalt als „Luftkünstlerin“. In Frankfurt stieg sie am 16. September 1810, ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes, vom Klapperfeld aus auf. Auch hier gab es, wie bei dem Besuch ihres Mannes in Frankfurt, Probleme mit dem Start.
Der Ballon füllte sich nicht rasch genug, und Madame Blanchard schnitt kurzerhand den Korb vom Ballon ab, verknotete die Seile und stieg nur sitzend in einer Schaukelschlaufe in den Himmel auf. Gegen 21 Uhr und nachdem sie zweimal den Main überflogen hatte, landete sie in einem Wald bei Steinfischbach im Taunus. Mit Erfrierungen an Händen und Füßen wurden sie und ihr Ballon von den Bewohnern von Steinfischbach gerettet.
Sophie Blanchard starb 1819 bei dem Versuch, ein Feuerwerk über dem Tivoli in Paris zu entzünden. Die Feuerwerkskörper explodierten, und der Ballon mit Madame Blanchard sank brennend auf die Erde zurück. Bis zu ihrem Tod hat sie insgesamt 67 Ballonfahrten unternommen und gilt als erste weibliche Tote der Luftschiffahrt.
André Jaques Garnerin
In den Jahren 1800–1805 versuchten verschiedene Luftschiffer, die Genehmigung in Frankfurt zu starten zu erlangen. Die vorsichtigen Ratsherren hatten Bedenken, dass bei einem Absturz, besonders über der dicht bebauten Altstadt, ein großes Feuer entstehen könnte und lehnten jedes dieser Gesuche ab.
Das änderte sich im September 1805. André Jaques Garnerin erhielt vom Rat der Stadt die Erlaubnis und startete von der Pfingstweide, dem Gelände des heutigen Zoos, mit seinem Heißluftballon. Er flog bis nach Sachsenhausen, wo er sicher landete. Auch bei Garnerins war das Ballonfahren Familiensache. Kurze Zeit nach Garnerins Aufstieg soll seine Frau mit einem Fallschirm aus einem Ballon abgesprungen sein. Vorstellbar ist dies, denn sie sprang das erste Mal bereits 1799, Quellen, dass sie dies auch in Frankfurt tat, gibt es allerdings nicht.
100. Jubiläum der ersten Ballonfahrt
In den folgenden Jahren gab es einige Ballonstarts in der Stadt, einmal wurde sogar ein Affe in einem Käfig aus einem Ballon geworfen. Dieses arme Tier wurde aber erst Monate später in seinem Käfig verhungert wieder gefunden.
Anläßlich des 100. Jubiläums der ersten Ballonfahrt von Monsieur Blanchard veranstaltete die Stadt eine Gedenkausstellung im Zoo. Ebenso war für September 1885 einen Ballonaufstieg mit dem bekannten deutschen Ballonfahrer Karl Securius geplant. Das Wetter am 27. September verhinderte den Ballonaufstieg, und so blieb es bei der Gedenkausstellung.
Hermann Lattemann und Käthe Paulus
Im gleichen Jahr war auch Hermann Lattemann in Frankfurt. Bekannt ist Lattemann durch seine Ballonfahrten ohne Korb. Im Gegensatz zu seinen Ballonfahrerkollegen verzichtete er auf diesen und stand nur in zwei Schlaufen unter seinem Ballon.
1889 lernte der mutige Ballonfahrer in Wiesbaden seine spätere Lebensgefährtin Käthe oder auch Käthchen Paulus kennen. Es gelang ihr, Hermann Lattemann davon zu überzeugen, ihr Unterricht im Ballonfahren zu erteilen. Im Juli 1893 stieg sie das erste Mal mit Lattemann auf. Ihre Aufgabe war es, den Ballon sicher zu landen, nachdem ihr Lebensgefährte mit einem Fallschirm abgesprungen war. Es gelang ihr, wenn auch nicht ganz ohne Blessuren.
Nur einige Tage später sprang Paulus selbst erstmals mit einem Fallschirm ab und gilt heute mit Madame Garnerin als eine der ersten Fallschirmspringerinnen der Geschichte. Neben dem gemeinsamen Ballonfahren unterstützte Käthchen Paulus Lattemann bei der Reparatur und Herstellung von Ballons und Fallschirmen.
1894 verunglückte Lattemann in Krefeld tödlich. Nach dem Fallschirmabsprung seiner Lebensgefährtin wollte er sich mit dem von ihm erfundenen Fallschirmballon zur Erde sinken lassen. Dies misslang, der Fallschirm öffnete sich nicht, und er raste ungebremst in die Tiefe. Lattemann verstarb, noch bevor Paulus mit ihrem Fallschirm gelandet war.
Entwicklung eigener Fallschirme
In den folgenden Jahren verdiente Käthchen Paulus ihren Lebensunterhalt mit Ballonflügen. Insgesamt stieg sie 516 Mal mit einem Ballon auf, zeitweise jeden Sonntag vom Zoo aus. 147 Mal sprang sie mit einem Fallschirm aus einem Ballon.
Als Näherin stellte sie alle ihre Ballons und Fallschirme selbst her, sie verkaufte sie sogar zum Beispiel auf der Internationalen Luftschifffahrt-Ausstellung 1909 in Frankfurt. 1912 siedelte sie nach Berlin über und produzierte Fallschirme und ab 1915 über 1.000 Aufklärungsballons für das preußische Heer. Die Luftschifffahrt gab sie zu Beginn des ersten Weltkriegs auf.
Ausgelöst durch den Tod ihres Lebensgefährten begann sie mit der Entwicklung von sicheren Fallschirmen. Ihr Paketfallschirm, der Nachfolger des Wickelfallschirms, wurde zum Erfolgsmodell. Ab 1916 bis zum Kriegsende lieferte sie dem preußischen Kriegsministerium über 7.000 dieser Fallschirme.
Am 26. Juli 1935 starb Käthchen Paulus in Berlin. Sie wurde auf dem Dankes-Friedhof in Berlin Reinickendorf beigesetzt. In Frankfurt erinnert heute eine Straße am Rebstock an sie. Dort befindet sie sich in der Gesellschaft der Gebrüder Montgolfier, der ersten deutschen Ballonfahrerin Wilhelmine Reichard und dem Flugzeugpionier August Euler.