Dichterviertel

Das Zuhause von Anne Frank, Marcel Reich-Ranicki und Mile Braach

Das Dichterviertel gehört zum Stadtteil Dornbusch. Im Norden wird es begrenzt durch die Hügelstraße, die östliche Grenze ist die Eschersheimer Landstraße, im Süden bildet die Straße "Am Dornbusch" die Grenze.

Das Dichterviertel umfasst eine Fläche von rund 32 ha und heute stehen dort 379 Häuser.

ab 1900

Bebauungsplan

Im frühen 20. Jahrhundert, die Bevölkerung wuchs und die Stadt dehnte sich nach Norden aus, wurde unter dem damaligen Bürgermeister Franz Adickes für das Gebiet ein Bebauungsplan erstellt. Bis dahin befanden sich auf dem Gebiet des heutigen Dichterviertels Lehmgruben und landwirtschaftliche Flächen.

Zunächst gab es nur fünf Straßen in dem neuen Viertel: Die Roseggerstraße, die Anzengruberstraße, die Ganghoferstraße sowie die Grillparzerstraße und die Gustav-Freytag-Straße. Alle Straßen waren mit Kopfsteinpflaster gepflastert, welches heute nur noch in der Anzengruberstraße und der Roseggerstraße vorhanden ist. Die neu angelegten Straßen waren mit Bäumen gesäumt, hauptsächlich mit Linden und Birken, aber auch Ulmen und Eschen begrünten die Straßen. 

Grillparzerstraße, Ecke Liliencronstraße, Quelle: Bürgervereinigung Dichterviertel e.V.
Grillparzerstraße, Ecke Liliencronstraße, Quelle: Bürgervereinigung Dichterviertel e.V.

Fachwerk und Jugendstil

Bereits 1904 entstanden die ersten Häuser in der Roseggerstraße, einige dieser frühen Häuser hatten in den Obergeschossen noch Fachwerk und hölzerne Loggien. Hauptsächlich jedoch wurden die neuen Häuser im historistischen Stil oder im Jugendstil errichtet.

1910 gab es schon 44 Häuser und, wie in den Neubaugebieten der heutigen Tage, glichen sich viele Häuser in ihrer Gestaltung. Die Häuser die in dieser Zeit gebaut wurden, hatten alle natursteinverkleidete hochliegende Keller, das Erdgeschoss war also ein Hochparterre, manche Hauszugänge standen auf geschnitzten Holzstützen und waren dem Haus vorgelagert. Es gab Balkone oder Erker zur Straße hin, die Fenster und Türen hatten Gewände aus Sandstein. Die Mansard-, Walm oder Satteldächer waren mit Schiefer oder Bieberschwanz gedeckt. Die meisten Grundstücke hatten große Gärten, häufig auch mit Obstbäumen.

In den folgenden Jahren wuchs das Viertel um weitere fünf Straßen, es entstanden die Karl-Stieler-Straße, die Malßstraße, die Mörikestraße, die Eichendorffstraße und die Klaus-Groth-Straße.

Roseggerstraße, Quelle: Ulli Janssen
Roseggerstraße, Quelle: Ulli Janssen
ab 1930

Die „Neue Sachlichkeit“

1926 waren schon 135 Häuser gebaut worden. In dieser Zeit änderte sich der vorherrschende Baustil, die „Neue Sachlichkeit“ hielt Einzug im Dichterviertel. Neben den großen einzeln stehenden Häusern entstanden in dieser Zeit auch kleinere Einfamilienhäuser. Die Siedlungsgenossenschaft des Frankfurter Lehrervereins hatte Grundstücke an der Grillparzerstraße und der Fritz-Reuter-Straße erworben. Dort errichteten sie zweigeschossige Einfamilienhäuser. Auch hier entschied man sich für hochliegende Keller. Die Häuser hatten dem Zeitgeist entsprechend jedoch eine schlichte Putzfassade und Satteldächer. Sie wurden in Zweier- oder Dreiergruppen errichtet.

1934, nach der 3. Reichsverfügung zum Bau kleiner Häuser, entstanden in der Grillparzerstraße, der Eichendorffstraße, der Malßstraße und der Wildenbruchstraße neue Häuser, das Viertel füllte sich langsam.

Grillparzerstraße, Häuser des Siedlungsgenossenschaft des Frankfurter Lehrervereins, Quelle: Ulli Janssen
Grillparzerstraße, Häuser des Siedlungsgenossenschaft des Frankfurter Lehrervereins, Quelle: Ulli Janssen
ab 1950

Mietwohnungen und Huegel Housing Area

Die letzten zwei großen Bauvorhaben im Dichterviertel wurden in den 50iger Jahren errichtet. Das erste Bauvorhaben waren sechs Wohnhäuser, die zwischen Jean-Paul-Straße und Rudolf-Presber-Straße entlang einer Grünanlage errichtet wurden. In den dreigeschossigen Häusern befinden sich Mietwohnungen unterschiedlicher Größe.

Auf den stadteigenen Grundstücken jenseits der nördlichen Eichendorffstraße entstanden Anfang der 50iger Jahre Wohnungen für die Angehörigen der US Army, die bisher in beschlagnahmten Häusern und Wohnungen untergebracht waren. Die Siedlung, die damals den Namen "Huegel Housing Area" trug, wurde von der Stadt, die die Grundstücke stellte, und dem Bund, der die Baukosten übernahm, errichtet. 

Frankfurter Persönlichkeiten

Die Beschreibung des Viertels wäre nicht komplett, würden wir nicht an dieser Stelle einige der Frankfurter Persönlichkeiten nennen, die im Dichterviertel zuhause waren. Anne Frank, die 1945 als Opfer nationalsozialistischer Verfolgung im KZ Bergen Belsen starb, lebte mit ihren Eltern in der Ganghoferstraße. Dort erinnert eine Gedenktafel an sie. Marcel Reich-Ranicki und seine Frau Teofila lebten bis zu ihrem Tod in der Gustav-Freytag-Straße.

Auch sei hier die Familie von Senator Carl Lehner, dem Mitbegründer von Telefonbau und Normalzeit, erwähnt. Er hatte sein Zuhause an der Gustav-Freytag-Straße, sein Sohn wohnte in der Klaus-Groth-Straße.

Mile Braach in der Roseggerstraße

Ebenso ein Kind des Viertels ist die Schriftstellerin Mile Braach, geborenen Hirschfeld, die als Kind für einige Jahre mit ihren Eltern in der Roseggerstraße wohnte. Damals befand sich auf den Grundstück, das bis zur Anzengruberstraße reichte, neben einem großen Garten, auch ein Tennisplatz.

Später bezog Miele Braach eine Wohnung in der Eichendorffstraße, wo sie bis ins hohe Alter von 102 Jahren wohnte.

Roseggerstraße, Wohnhaus Mile Braach, Quelle: Ulli Janssen
Roseggerstraße, Wohnhaus Mile Braach, Quelle: Ulli Janssen