Kochkunstmuseum
In Frankfurt gab es in den Jahren 1909 bis 1944 ein Kochkunstmuseum, das einzige weltweit. Treibende Kraft war Matthäus Carl Banzer.
Gründung des „Vereins der Köche“
Bereits 1894 gab es in der Messestadt Frankfurt eine erste Ausstellung für „Kochkunst, Bäckerei, Conditorei, Volksverpflegung und Armeeverpflegung“. Angeregt durch die gut besuchte Ausstellung gründete sich 1895 in Frankfurt ein „Verein der Köche“.
Vereinssekretär wurde der 28-jährige Matthäus Carl Banzer. Dieser junge und engagierte Mann sollte sich bis zu seiner unfreiwilligen Pensionierung im Jahr 1934 unermüdlich für die Koch- und Tafelkunst sowie die Ausbildung von Köchen einsetzen.
Gründung des „Internationalen Verbands der Köche“ (IVdK)
Nur ein Jahr nach der Gründung des „Vereins der Köche“ (1896) wurde – ebenfalls in Frankfurt – der „Internationale Verband der Köche“ (IVdK) gegründet. Dessen Motto lautete „Unser Feld ist die Welt“. Matthäus Carl Banzer wurde Direktor des IVdK und sein erstes Ziel war die Schaffung einer Stellenvermittlung für Beschäftigte in der Gastronomie. Niederlassungen des IVdK gründeten sich in Berlin, Zürich, Köln, Straßburg, Nizza, aber auch in New York, Chicago, Detroit und London.
In einem kleinen Büro in der Rothofstraße, später in der Hochstraße, entwickelte er mit Hilfe seiner Kollegen große Ideen für den Internationalen Verband der Köche. Neben der Entwicklung einer eigenen Zeitschrift, die ab 1898 unter dem Namen „Kochkunst“ erschien, begann Banzer mit dem Aufbau eines Kochkunstmuseums.
Organisation einer Internationalen Kochkunst-Ausstellung (IKA)
Darüber hinaus entschlossen sich Banzer und seine Verbandskollegen eine Internationale Kochkunst-Ausstellung (IKA) in Frankfurt zu organisieren. Diese erste Ausstellung fand vom 12. bis 22. Oktober 1900 in Frankfurt auf dem Ausstellungsplatz Forsthausstraße, heute Kennedyallee, statt. Gezeigt wurden moderne Speisen der gehobenen Küche sowie Speisen der „Volksernährung“, die vor Ort in einer modernen Musterküche zubereitet wurden. Gedacht war die erste Ausstellung für Fachbesucher – Köche und Hauswirtschafterinnen, aber auch interessierte Privatleute konnten die Ausstellung besuchen.
Ein wahrer Boom an Kochausstellungen folgte. Andere Städte, wie zum Beispiel Mainz oder Wien, veranstalteten ebenfalls Kochkunstausstellungen, die jedoch kleiner als die Frankfurter Ausstellung waren und deren Schwerpunkt auf regionaler Küche lag. 1905 folgte schon die 2. Internationale Kochkunstausstellung. Es gelang Banzer und seinen Kollegen die Hersteller von Küchengeräten für die Veranstaltung als Unterstützer zu gewinnen – die Ausstellung wuchs. Im gleichen Jahr erschien auch das Buch „Die Restaurantküche“, geschrieben von Banzer zusammen mit Carl Friebel. Das Buch galt über Jahrzehnte als das beste Fachbuch in deutscher Sprache.
Bau eines Kochkunstmuseums
Der Verband hatte inzwischen 6.500 Mitglieder in der ganzen Welt und die Büroräume in der Hochstraße wurden zu klein. Aus diesem Grund begann man im Jahr 1908 mit dem Bau eines eigenen Gebäudes in der Windmühlstraße. Für 400.000 Reichsmark entstand bis 1909 ein Gebäude mit Büroräumen für die Verwaltung und die Arbeitsvermittlung, das im Zweiten Weltkrieg kaum zerstört wurde und heute unter Denkmalschutz steht. Im Erdgeschoss des neuen Gebäudes konnte nun auch endlich das lange geplante Kochkunstmuseum entstehen, das am 19. Januar 1909 eröffnet wurde. In einem 400 m² großen Prachtsaal wurde die Sammlung des Museums präsentiert. Es gab künstliche Nachbildungen berühmter Speisen; auch Geschirr – teils aus fremden Ländern – wurde gezeigt ebenso wie die größte Sammlung an Speisekarten weltweit. Eine Bibliothek mit über 3.000 Kochbüchern rundete das Angebot ab.
3. Internationale Kochausstellung in der neu errichteten Festhalle
Vom 30. September bis zum 11. Oktober 1911 fand die 3. Internationale Kochausstellung statt, dieses Mal in der neu errichteten Festhalle. Gastgeber waren der IVdK und erstmals der Frankfurter Gastwirteverein. Die Zahl der Aussteller war größer als das Platzangebot in der Festhalle und der Zulauf interessierter Besucher war größer als bei allen vorangegangenen Kochkunstausstellung.
Wie bei den vorherigen Austellungen rundeten Wettbewerbe für Köche, in diesem Jahr mit dem Thema Platten und Buffets, das Programm ab. Erstmals gab es in diesem Jahr auch für Kellner, Herrschafts- und Lohndiener sowie Hausfrauen-Wettbewerbe mit den Schwerpunkten „Blumenschmuck“, „Tafelkunst“ und „Einmachen von Gemüsen aller Art“.
Erster Weltkrieg
Von 1914 bis 1918 wurde die Arbeit des IVdK wegen des Ersten Weltkrieges stark eingeschränkt und die regelmäßig erscheinende Zeitschrift „Kochkunst und Tafelwesen“ musste aufgrund von Papiermangel eingestellt werden. Trotz aller Schwierigkeiten verfolgte Matthäus Carl Banzer weiterhin die Interessen des Verbandes und bemühte sich besonders um die Verbesserung der Ausbildung von Köchen.
Entstehung einer Lehrküche ab 1920
Nach Ende des Ersten Weltkrieges entstand 1920 im Gebäude in der Windmühlstraße eine Lehrküche. Die dort angebotenen Lehrgänge sollten sowohl angehenden als auch ausgebildeten Köchen Weiterbildungsmöglichkeiten bieten.
Erholung nach Inflation
Die Inflation der Jahre 1922 bis 1923 zwang den Verband, den Lehrbetrieb und die Verbandszeitschrift, die seit 1917 „Die Küche“ hieß, mangels vorhandener Rohstoffe einzustellen.
Nach der Erholung der wirtschaftlichen Situation und der Möglichkeit, wieder Veranstaltungen anzubieten, folgten in den Jahren 1925 und 1929 die 4. und die 5. Internationale Kochausstellung.
Größte Kochbuchsammlung der Welt
Die Ausstellungskataloge und die Bücher, die Banzer teils mit Kollegen geschrieben hat, werden heute antiquarisch zu hohen Preisen gehandelt. Durch die Erbschaft von 1.500 Bänden der gastronomischen Bibliothek eines gewissen Adolphe Meyer aus New York im Jahr 1931 war das Kochkunstmuseum zu dieser Zeit das Museum mit der größten Kochbuchsammlung der Welt.
Machtergreifung der Nationalsozialisten
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten entstand der Plan, das Museum nach Berlin zu verlegen, der jedoch nicht weiter verfolgt wurde. Noch im selben Jahr wird der IVdK gleichgeschaltet und Teil der Deutschen Arbeitsfront (DAF). Das Verbandsvermögen wurde beschlagnahmt und der Verband verlor seine selbstständige Existenz. Zwischen dem 6. und dem 17. Oktober 1934 fand die letzte Internationale Kochausstellung unter der Leitung Banzers statt. Der verdiente Verbandsdirektor wurde wegen abweichender politischer Meinung zwangsweise in den Ruhestand versetzt.
Aus der Lehrküche in der Windmühlstraße wurde 1936 die Reichskochschule. Im Oktober 1938 fand die 7. Internationale Kochausstellung in Frankfurt statt. Im selben Jahr wurde die Reichskochschule gemeinsam mit der Reichssprachschule in die Villa Sommerhoff an der Gutleutstraße verlegt. Die Bibliothek des Kochkunstmuseums blieb größtenteils im Keller in der Windmühlstraße, wurde aber 1944 von der Wehrmacht beschlagnahmt und an verschiedenen Orten untergebracht.
Bombenangriff und Zerstörung
Der größte Teil der Bibliothek mit vielen Werken aus dem 16., 17., 18. und 19. Jahrhundert wurde bei den Bombenangriffen auf Frankfurt beschädigt und noch während des Krieges nach erneuter Katalogisierung in die Stadtbibliothek gebracht. Hier verliert sich die Spur der großartigen Bibliothek des Kochkunstmuseums. Das Dachgeschoss des Gebäudes in der Windmühlstraße wurde bei einem Angriff im September 1944 von einer Brandbombe getroffen.
Nach Augenzeugenberichten waren in dem Haus selber nur noch wenige Ausstellungsgegenstände vorhanden. Allerdings fanden sich in einer Garage auf einem Nachbargrundstück noch Nachbildungen und Modelle von Speisen, kostbares Porzellan aus aller Herren Länder und große Teile der Speisekartensammlung Leider sind all diese Ausstellungstücke heute verloren.
Hotel „Haus der Kochkunst“
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges gab es erstmals 1951 wieder Internationale Kochkunstausstellungen in Frankfurt. In den letzten Jahren fanden Ausstellungen unter diesem Namen in Erfurt oder Stuttgart statt.
Das Haus in der Windmühlstraße wurde 1949 vom Verband der Köche an den bisherigen Pächter Anton Krätz verkauft. Dieser betrieb nach Behebung der Kriegsschäden dort das Hotel „Haus der Kochkunst“. Krätz starb 1952 und 1954 wurde das Hotel geschlossen. Heute befinden sich Büroräume in dem Gebäude.
Museum der Koch- und Tafelkultur in Frankfurt
Auch heute gibt es wieder ein kleines Museum der Koch- und Tafelkultur in Frankfurt. Betreiber ist der Verein Deutsche Tafelkultur e.V.
Das 2015 eröffnete Museum befindet sich in der Straße Holzgraben 4 in der Nähe der Zeil.