Rose Livingston

Kunstmäzenin und Stifterin des Nellinistifts

ab 1860

Geboren in San Francisco

Geboren wurde Rose Livingston am 25. September 1860 in San Francisco. Sie war die Tochter des 1845 aus Walsdorf, in der Nähe von Idstein, ausgewanderten jüdischen Bürgers Marx Löwenstein. Angekommen in Amerika änderte Marx Löwenstein seinen Namen in Mark Livingston und heiratete Francis (Franziska) Marks, die Tochter eines Deutschen aus Herchsheim. Die Eheleute hatten fünf Kinder. Zwei Jungen verstarben als Kleinkinder. Das Erwachsenenalter erreichten Fanny *1853, Joseph *1856 und Rose *1860.

Wilhelm Steinhausen, Zeichnung Rose Livingston 1893
Wilhelm Steinhausen, Zeichnung Rose Livingston 1893
ab 1867

Rückkehr nach Deutschland

Nach überaus erfolgreichen Geschäften im Handel von Gütern des täglichen Bedarfs, Handel mit Anteilsscheinen an Minen sowie als Besitzer einiger Rohstoffminen kehrte Mark Livingston als gemachter Mann 1867 mit seiner Frau und seinen drei Kindern nach Deutschland zurück. Unklar ist, ob er und seine Frau Francis mit ihren Töchtern schon ab 1867 in Frankfurt lebten und wann und wie oft Mark Livingston mit seinem Sohn wegen der Geschäfte nach Kalifornien zurückkehrte.

Fest steht, dass die Familie längere Zeit im Hotel Englischer Hof lebte. Rose Livingston war bei ihrer Ankunft in Frankfurt sechs Jahre alt. Offiziell in Frankfurt gemeldet waren die Livingstons erst ab März 1870. Mark Livingston erwarb in den 1870er Jahren für seine Familie das Haus an der Bockenheimer Landstraße 33.

Hauslehrerin und Gouvernante Minna Noll

Will man etwas über das Leben von Rose Livingston erfahren, so ist man auf die Erzählungen derer angewiesen, mit denen sie befreundet war. Rose Livingston hatte selbst keine Kinder und hat kein Tagebuch oder andere Aufzeichnungen hinterlassen. Eine gute Quelle ist die Hauslehrerin und Gouvernante Minna Noll. Rose Livingston erhielt, wie zu dieser Zeit und in ihren Kreisen üblich, Privatunterricht von einen Gouvernante.

Aufzeichnungen zufolge soll sie sich ihre Gouvernante sogar selbst ausgesucht haben. Minna Noll, genannt Nelli, war nur 15 Jahre älter als ihre Schülerin. Im Laufe der Jahre wurde aus der Beziehung eine enge Freundschaft. Minna Noll blieb über vierzig Jahre bis zu ihrem Tod 1909 an der Seite von Rose Livingston. Aus der Gouvernante wurde eine Gesellschafterin. 

ab 1889

Großes Erbe durch den Tod des Vaters

1889 verstarb Rose Livingstons Vater. Durch seinen Tod wurden Rose und ihre Geschwister zu sehr wohlhabenden Bürgern. Rose Livingston galt am Ende des 19. Jahrhunderts als eine der reichsten Frauen Deutschlands.

Nach dem Verkauf ihres Elternhauses an der Bockenheimer Landstraße zog sie 1890 mit Minna Noll in das von ihr erworbene Haus in der Myliusstraße 28. 

 

Freundschaft mit der Familie des Malers Wilhelm Steinhausen

Schon in den 1880er Jahr lernte Rose Livingston den Maler Wilhelm Steinhausen und seine Familie kennen. Schnell begeisterte sich Rose Livingston für die Arbeiten des Künstlers und erwarb einige Bilder von ihm. Das Verhältnis zu den Eheleuten Steinhausen war eng. Es gab gegenseitige Besuche und auch einen Briefwechsel, den heute das Institut für Stadtgeschichte verwahrt.

Rose Livingston wurde Patentante des zweitjüngsten Kindes der Familie Steinhausen, der nach ihr benannten Rose Steinhausen, und Wilhelm Steinhausens größte Unterstützerin. Sie finanzierte dem Künstler eine lange Studienreise nach Florenz und nahm die Kinder der Familie, am häufigsten ihr Patenkind, mit auf ihre Reisen durch Europa. Sicherlich auch aus Dankbarkeit malte Steinhausen viele Porträts seiner Mäzenin. Die meisten befinden sich heute im Steinhausen-Museum in der Wolfsgangstraße in Frankfurt am Main. 

ab 1891

Wechsel zum evangelischen Glauben

1891 trat Rose Livingston zum evangelischen Glauben über. Maßgeblich beeinflusst haben sie sicherlich ihre langjährige Erzieherin und Freundin, die tiefgläubige Minna Noll, aber auch die Familie Steinhausen; beide waren evangelisch.

Auch die Bekanntschaft mit Pfarrer Philipp Collischonn, damals Pfarrer an der Paulskirche, hat sicherlich zu ihrem Übertritt beigetragen. Durch Collischonn kam sie in Kontakt mit den Frankfurter Diakonissen, ein Kontakt der später noch eine große Rolle spielen sollte.

 

ab 1911

Finanzierung der Ausgestaltung der Lukaskirche

Der Schwerpunkt von Wilhelm Steinhausen lag in der Gestaltung religiöser Bilder. Sein Traum war die Ausgestaltung einer ganzen Kirche. Rose Livingston war bereit, mit ihrem Vermögen eine evangelische Kirche bauen zu lassen. Aber ein Neubau war gar nicht vonnöten. 1911 wurde an der Gartenstraße in Sachsenhausen die Lukaskirche gebaut und die Gemeinde nahm das großzügige Angebot Livingstons, ihre neue Kirche von Steinhausen ausmalen zu lassen, dankend an.

Gemälde von Wilhelm Steinhausen, Innenraum der Lukaskirche circa 1918, Fotograf unbekannt
Gemälde von Wilhelm Steinhausen, Innenraum der Lukaskirche circa 1918, Fotograf unbekannt

Rose Livingston hatte die finanziellen Mittel für das Projekt, sodass der Künstler fast ein Jahrzehnt, und noch über ihren Tod hinaus den Innenraum der Kirche gestalten konnte.

Die Ausgestaltung der Lukaskirche gilt als teuerste einer Kirche im 20. Jahrhundert in Deutschland. Leider wurden die Arbeiten von Steinhausen, die als Gemälde eigentlich einfach zu entfernen gewesen wären, bei einem Bombenangriff auf Frankfurt am 22. März 1944 zerstört.

Unterstützung von gemeinnützigen Institutionen der Stadt

Rose Livingston, die großzügige, häufig als nachdenklich bezeichnete, sehr zierliche Frau war Zeit ihres Lebens immer hilfsbereit. Neben der hier bereits erwähnten Unterstützung des Malers Wilhelm Steinhausen half sie vielen gemeinnützigen Institutionen der Stadt, zum Beispiel dem „Verein Volkskindergarten“.

Sie investierte ihr Geld in die Ausbildung von Lehrerinnen und half Menschen, die unverschuldet in Not geraten waren.

 

Das Nellinistift

Rose Livingston ist den meisten Bürgern Frankfurts durch eine großzügige Spende bekannt. Auf dem Gelände des Diakonissenhauses in der Cronstettenstraße befindet sich heute eine Pflegeeinrichtung für alte Menschen, das Nellinistift. Diese Einrichtung, die den Spitznamen der 1909 verstorbenen Erzieherin und Freundin von Rose Livingston, Minna Noll genannt Nelli, trägt geht auf eine Stiftung von Rose Livingston zurück.

© Thomas Drebusch
© Thomas Drebusch "Nellinistift Cronstettenstraße Baujahr 1913"

Ursprünglich plante die Stifterin, auf dem Gelände ein Heim für mittellose und ältere Lehrerinnen zu errichten. Während der Bauzeit entschied Livingston sich, nicht nur Lehrerinnen aufzunehmen, sondern auch unverheiratete Frauen, vornehmlich evangelischen Glaubens. Der Diakonissen Verein erwarb ein angrenzendes Grundstück, und die Stifterin finanzierte nicht nur den Bau, sondern übernahm auch die Kosten für den laufenden Betrieb, solange dies mit ihrem Vermögen und später ihrem Erbe möglich war.

1911 war Grundsteinlegung und 1913 konnte das Nellinistift eingeweiht werden. Geplant wurde das Gebäude von dem Berliner Architekten Bruno Paul, der bereits ein Wohnhaus für die Schwester von Rose Livingston, Fanny Herxheimer, geborene Livingston, in Frankfurt an der Zeppelinallee errichtet hatte. Das Nellinistift hatte über 30 Räume: Zimmer für die Bewohnerinnen, aber auch Speisesaal, Wohnzimmer, Salon sowie Wohn- und Nebenräume für das Personal. Die unbegrenzten Mittel für den Bau des Hauses machten das Gebäude mit seinen großzügigen Fluren und Zimmern zu einem außergewöhnlichen „Heim“. Rose Livingston stiftet auch die komplette Innenausstattung, ebenso wie zwei Gemälde Steinhau-sens aus ihrem privaten Besitz, die Bilder „Morgen“ und „Abend“ wurden im Speisesaal aufgehängt. 

1914

Rose Livingston stirbt im Alter von 54 Jahren

Rose Livingston leitete das Heim, in dem sie selbst nun auch lebte, aber nur eineinhalb Jahre. Sie hatte zeitlebens gesundheitliche Probleme gehabt und starb bereits am 18. Dezember 1914 im Alter von nur 54 Jahren. Sie wurde auf dem Hauptfriedhof in einem gemeinsamen Grab mit Minna Noll beigesetzt. Der Grabstein stammt aus dem Todesjahr von Minna Noll 1909 und wurde von Wilhelm Steinhausen gestaltet.

Möchten Sie noch mehr über die Familie Livingston erfahren? Dann empfehle ich Ihnen das Buch „Die Familie Livingston und das Nellinistift in Frankfurt am Main“ von Harald Jenner welches mir auch als Grundlage für dieses Rundschreiben gedient hat.